Wenn der Goodwill geht - Fantasie und Realität beim Verkauf eines Treuhandunternehmens

Digitalisierungs- und Margendruck führen dazu, dass es in Zukunft für Treuhand- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen anspruchsvoller wird, die kritische Betriebsgrösse zu erreichen. Da der chronische Fachkräftemangel dem organischen Wachstum enge Grenzen setzt, sind ertragsstarke Treuhand- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen begehrte Akquisitionsobjekte. Die Kaufpreisbestimmung folgt dabei eigenen Gesetzen und liefert genügend Stoff für einen eigenen Blogbeitrag. Im Zentrum aller Preisfindungsmethoden steht aber immer die Bestimmung des sogenannten Goodwills.

Technisch gesprochen bildet der Goodwill den Anteil des Kaufpreises, welcher den Substanzwert (vereinfacht: das Eigenkapital) der zum Verkauf stehenden Unternehmung übersteigt. Damit erwirbt der Käufer latente Ertragspotenziale, welche nicht direkt mit der verfügbaren Substanz verknüpft sind: Mitarbeiter, Kunden, Beziehungsnetz, Unternehmenskultur, Image, Vertrauen.

Die Fantasie: Alles bleibt beim Alten

Beim Verkauf eines Treuhandunternehmens gehen Verkäufer oft davon aus, dass der Goodwill automatisch auf die neuen Eigentümer übergeht. In ihrer Fantasie sieht das dann in etwa so aus: Sie erwarten, dass die Kundenbeziehungen und das Vertrauen nahtlos erhalten bleiben. Die neuen Eigentümer übernehmen das Unternehmen und führen es in gleicher Weise weiter. Die Kunden bleiben dem Unternehmen treu und die Mitarbeitenden sind loyal und motiviert. Kurz: Die Ertragspotenziale bleiben bestehen und können problemlos auf die neuen Inhaber übertragen werden.

Die Realität: Goodwill und Verkäufer gehen Hand in Hand

Die Realität sieht jedoch oft anders aus. Wenn die ursprünglichen Eigentümer das Unternehmen übergeben, verlässt auch oft buchstäblich der Goodwill das Unternehmen. Kunden, die jahrelang auf die Expertise und das Vertrauen der alten Eigentümer gesetzt haben, können skeptisch gegenüber den neuen Besitzern sein. Mitarbeitende sehen sich unter Umständen mit einer neuen Führungskultur konfrontiert. Dies kann zu einem Verlust von Kunden, zu Wechseln bei den Mandatsverantwortlichen und damit zu einem deutlichen Wertverlust des Unternehmens führen. Die Übertragung des Goodwills auf die neuen Verhältnisse und damit auch die Werthaltigkeit des Kaufpreises ist also alles andere als garantiert.

Überbrückung der Kluft zwischen Fantasie und Realität

Besonders kritisch in Bezug auf die Übertragbarkeit der Ertragskraft sind Treuhandunternehmen, bei denen Kundenbetreuung, Kundengewinnung und Netzwerkpflege ausschliesslich in die Zuständigkeit des abtretenden Inhabers fallen. Es sollte daher frühzeitig damit begonnen werden, Schlüsselmitarbeiter in die Kundenbetreuung und -pflege einzubeziehen. Diese Mitarbeiter sollten eng mit den wichtigsten Kunden arbeiten, um Vertrauen aufzubauen und die Beziehungen zu festigen. Dies stärkt das Vertrauen in die Kompetenz und Resilienz der Organisation.

Auch die Verbesserung interner Prozesse und Systeme kann die Kundenbindung festigen, beispielsweise durch die Einführung eines digitalen Kundenportals.

Earn-out Klausel als Lösung des gordischen Knotens?

Mit einer sogenannten Earn-out Klausel kann ein Teil des Kaufpreises an zukünftige Geschäftsergebnisse geknüpft werden. Diese Lösung kann helfen, den scheinbar unlösbaren Konflikt bei der Bestimmung des Unternehmenswertes bei einer Treuhandunternehmung zu lösen.

Dies bedeutet, dass der Käufer zunächst nur einen Teil des Kaufpreises bezahlt. Der restliche Betrag wird über einen festgelegten Zeitraum hinweg geleistet und hängt von der Erreichung bestimmter Leistungsziele ab. In der Regel wird dabei ein umsatzabhängiger variabler Kaufpreisanteil vereinbart, welcher über 2-4 Jahre fällig wird.

Was in der Theorie so bestechend tönt, hat aber in der praktischen Umsetzung seine Tücken. So können Verkäufer und Käuferunterschiedliche Ansichten darüber haben, ob die vereinbarten Ziele erreicht wurden. Zudem können externe Faktoren, wie Marktveränderungen, die ausserhalb der Kontrolle des Unternehmens liegen, die Erreichung der Leistungszieleerschweren oder unmöglich machen.

Der Schlüssel zum Erfolg von Earn-out Klausel liegt daher vor allem in der vertrauensvollen Zusammenarbeit und offenen Kommunikation zwischen Käufer und Verkäufer. Sinnvoll ist in den meisten Fällen, dass der Verkäufer während der Laufzeit noch einen gewissen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit nehmen kann, zum Beispiel als Mitglied des Verwaltungsrats oder als Berater der Käufer.

Fazit

Der Verkauf eines Treuhandunternehmens ist eine komplexe Herausforderung, bei der der Goodwill eine zentrale Rolle spielt. Die Diskrepanz zwischen den Erwartungen und der Realität kann gross sein, aber mit strategischen Massnahmen oder einer erfolgsabhängigen Verkaufspreiskomponente lässt sich diese Kluft überbrücken. Der Schlüssel liegt darin, den Übergang so nahtlos wie möglich zu gestalten und das Vertrauen der Kunden in die neuen Eigentümer zu sichern.

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